Die Saßlebener Enklave

 

Nach dem dreißig jährigen Kriege waren viele Bauernstellen leer, den Gütern fehlten Dienste und Abgaben. Infolgedessen strebten sie nach einer Vergrößerung der Eigenwirtschaft. Deshalb kaufte der Saßlebener Rittergutsbesitzer v. Rauschendorf vom Rat zu Calau „500 Schritte Landes von der Gahlischen Grenze und den Altnauischen Puschen beginnend zur Hütung für 600 Gulden in bar .“ Über die Altnauische Flur erhielt er eine „bequeme Trift“ für sein Vieh von Saßleben zu diesem Weidegrund treiben zu können (HOUWALD 1988).
Für den Namen Friedrichsfeld gibt es keine urkundliche Erklärung, wahrscheinlich bezieht er sich auf Adam Friedrich von Haake, der 1697 bis 1732 das Rittergut besessen hat. Über einhundert Jahre ist das Land lediglich als Viehweide genutzt worden, denn das 18. Jahrhundert war wirtschaftlich eine schwere Zeit. Kaum waren die Schäden des langen Krieges überwunden, brachten der Nordische Krieg (1700 – 1709) und weitere Kriege neues Elend, vor allem Truppendurchzüge, Kontributionen und andere Plagen. Die Hütung Friedrichsfeld war mit Heide und Gräsern bestanden und mit einem stark aufgelichteten Baumbestand bedeckt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts kamen im Zusammenhang mit den Agrarreformen noch einige Flächen als Abfindung für Hutungsrechte in den Freibergen dazu.

Das war eine erhebliche Vergrößerung der Besitzung Friedrichsfeld, denn die o.g. 500 Schritt sind nur 376,6 meter, denn 1 schritt = 75,32 cm (nach SPERLING 1994).
Spätestens um 1790 wurde in Friedrichsfeld von Saßleben her ein Wirtschaftshof errichtet und Teile des verbuschten Weidelandes in Acker verwandelt. Die Felder befanden sich vorwiegend nördlich vom Wirtschaftshof. Dieser war nach der Karte von 1846 100 meter breit und 125 meter lang. Dort gab es zwei Gebäude (Wohnung und Stallung). Ein Weg, der vom Wirtschaftshof nach Nordost und weiter nach Gahlen führte, ist heute als Wanderweg ebenfalls noch vorhanden. Die damalige Straße von Calau nach Muckwar verlief bis 1856 etwa 80 meter weiter nordöstlich und parallel zur heutigen Chaussee. Ihr Verlauf ist noch heute als Waldweg erhalten.
In dem zum Vorwerk gehörenden Wohnhaus lebten über 170 Jahre lang stets mehrere Familien. Aus dem Kirchenbuch der Gemeinde Saßleben geht hervor, dass im Jahre 1796 dem Wirtschaftler Christian Voigt eine Tochter in Friedrichsfeld geboren wurde. Schon ein Jahr früher wurde in der ebenfalls dort wohnenden Familie Lehmann ein uneheliches Kind geboren. Zu dieser Zeit wohnten noch zwei weitere Familien in Friedrichsfeld. Am 5. Februar 1798 brannte das Wohnhaus ab, „es wurden drei Personen Opfer des Todes, nämlich der Büdner Hans Lehmann mit seiner Mutter und der Schwester“ (Kirchenbuch).
Das Gebäude ist bald wieder bewohnbar gemacht worden, denn „am 14.September 1799 wurde Christian Voigts Eheweib von einem Söhnlein entbunden, welches am 16. September getauft wurde.“ In den folgenden Jahrzehnten gab es unter den Mietern von Friedrichsfeld Büdner, Tagelöhner, Radmacher (Stellmacher), Ackermänner (Gespannführer) und herrschaftliche Kutscher.
Ab etwa 1840 lebten im Hause auch ein Ziegelmeister und einige Ziegelstreicher, denn dort, wo der Weg von Friedrichsfeld die alte Straße kreuzte, etwa 200m südlich vom Wohnhaus, ist um 1840 eine Ziegelei erbaut worden. Es gab (nach Sperling 1989) einen Einkammer Ziegelofen von 15 m Durchmesser und auf der anderen Straßenseite einen Trockenschuppen, 32 m lang und 7,5 m breit. Lehm, Ton und Sand sind in unmittelbarer Nähe gegraben worden. Der Betrieb gehörte zum Rittergut Saßleben und wurde vom herrschaftlichen Förster verwaltet. Nach der Karte von 1846 zu urteilen, gab es hier einen rechteckigen Ziegelofen, in dem jährlich wohl nur einmal gebrannt worden ist. Im Frühjahr begann die Arbeit der Ziegler mit dem Tonabbau in der näheren Umgebung. Dann wurde der Rohstoff durch Einsumpfen bearbeitbar gemacht. Die Arbeit der Ziegelstreicher, die einige Monate in Anspruch nahm, ist bei Sperling 2002 treffend beschrieben:
Die Formung der Zioegel erfolgte an sogenannten Streichtischen. Sie bestanden aus einer Arbeitsfläche und zwei seitlich stehenden Trögen für den aufbereiteten Ton sowie das Wasser zum befeuchten der Formen. An einem Tisch standen sich zwei Streicher gegenüber. Nachdem die Form durch Tauchen in das Wasser angefeuchtet wurde, legte man sie auf den Tisch und warf einen angemessen großen Tonklumpen mit Schwung hinein. Mit den Händen drückte man den Ton in die Form, damit sie vollständig ausgefüllt wurde. Überschüssiger Ton wurde mit einem Holzbrettchen oder Rundholz abgestrichen. Der Rohling wurde aus der Form auf Bretter gekippt, die man zum trocknen der Steine meist in offene Schuppen stellte.
Im Herbst wurden die getrockneten Ziegel un den Ofen gestapelt und mit Brennstoff (Holz, später wohl auch Rohkohle) umgeben. Nach dem Zusetzen der Tür wurde das Feuer an den an allen Außenmauern unten befindlichen Luftkanälen entfacht. Der Brand wurde sehr sorgfältig geführt und überwacht, oft musste Brennstoff nachgelegt werden. Der Brennprozess dauerte 20 bis 24 Tage. Dabei wurden etwa 5 Tonne Kohle oder eine entsprechende Menge Holz verbraucht. Im Frühjahr stand nach dem Ausräumen des Ofens die Ware zum verkauf bereit.

Zu den ersten Ziegelstreichern gehörte Johann Gottlieb Wesnick (1796-1854), der zunächst Gutsarbeiter war und ab 1840 bis zu seinem Lebensende in der Ziegelei tätig war. Sein Sohn Johann Christian Wesnick (1822-1883) schuftete ebenfalls sein Leben lang in der Tongrube, in der Ziegelscheune und dem Brennofen. Ziegelmeister war um 1860 Traugott Kochan, später bis zuletzt Johann Christian Wesnick.
Jährlich wurden 20000 Mauersteine oder 30000 Dachsteine gebrannt, zuweilen lieferte der Betrieb auch Wölbsteine, Zier-, First- und Falzsteine. Im Calauer Kreisblatt erschienen in den 1850er Jahren Inserate wie „In der Ziegelei Friedrichsfeld werden wieder ab sofort Mauersteine und Dachziegel verkauft, Saßleben, den 02.04.1859. Papke, Forstverwaltung.“
In den 1880er Jahren musste die Ziegelei geschlossen werden, weil sie der Konkurrenz moderner Ziegelwerke erlag. Die Gebäude wurden abgetragen. Heute sind nur noch einige Gruben, die vom Tonabbau übrig blieben vorhanden.
Das gesamte Territorium von Friedrichsfeld wurde nun aufgeforstet. Nur ein Acker unmittelbar südlich vom Wirtschaftshof, der noch heute als Sport- und Spielplatz dient und ein Feld von ca 1,25 ha Größe, das 400m nordwestlich von den Gebäuden an der Kreuzung der alten Wege von Friedrichsfeld nach Altnau und von Gahlen nach Weißag liegt, sind waldfrei geblieben. In Friedrichsfeld wohnte seit den 1860er Jahren der Forstarbeiter, Waldwärter und spätere Forstaufseher Wilhelm Schmidt (1835-1918) mit seiner Familie. Länger als ein halbes Jahrhundert war er hier im Auftrage des Salebener Gutsförsters tätig. Er hat wohl den größten Anteil an den Arbeiten, die damals bei der Aufforstung dieses Teils der Saßlebener Waldungen nötig waren. Die im Revier verbliebenen veiden Ackerflächen hat er wahrscheinlich selbst bewirtschaftet, denn einmal erscheint er im Kirchenbuch als „Pächter“. Im Wohnhaus lebten weitere Familien, die auf dem Gute Saßleben beschäftigt waren. Das Kirchenbuch nennt 1888 den Tagelöhner Welsch, 1902 den Arbeiter Reinhold Lehmann und 1929 den Arbeiter Kurt Jockel, die meisten Familien waren recht kinderreich. Durch das Kirchenbuch wird die hohe Kindersterblichkeit zu damaliger Zeit belegt. Zur Schule gingen die Kinder aus Friedrichsfeld nach Ogrosen. Das Schülerverzeichnis dieser Schule nennt neben Kindern der im Text erwähnten Familien in den Jahren von 1871 bis 1882 fünf Kinder eines August Lehmann, 1919 das Mädchen Gertrud Krause und 1935 den Schüler Heinz Jockel (mdl. G. Koppe).
Die meisten Kinder verließen nach ihrer Verheiratung das Haus. So gelangte die Tochter des Ziegelstreichers Christian Wesnick in die heute in Calau lebende Familie Kamenz und Töchter von Wilhelm Schmidt lebten später in Rochusthal (Peschk), Werder (Steffen), Zinnitz (Lehmann) und Tornitz (Schoetz).
Während sich nach der Karte von 1846 die Nebengebäude (Stallung, Schuppen) an der Nordseite des Wirtschaftshofes befanden, standen sie um 1900 südlich vom Wohnhaus. Dieses lag längs am Wege zur Chaussee. Im Haus gab es neben zahlreichen Zimmern die früher übliche „Schwarze Küche“. Am Südgiebel des Hauses waren Pferde- und Kuhstall sowie die Futterküche direkt angebaut. Es folgte die Toreinfahrt und kam, mit dem Giebel zur Straße, ein langes Gebäude, in dem Schweineställe, Scheune und Schuppen untergebracht waren.
Einer der Söhne von Wilhelm Schmidt war Oswald Schmidt (1880-1966). Er lernte den Zimmermannsberuf und arbeitete zunächst viele Jahre für das Gut Saßleben, nach 1945 im Baubetrieb Noack in Calau. Elektrisches Licht gab es in dem Hause niemals, gelebt wurde auch noch um 1960 wie im 19. Jahrhundert (mdl. Mitt. W. Wildschütz).
Im Jahre 1945 blieb das Gehöft von groben Kriegseinwirkungen verschont. Während der ersten Nachkriegsmonate kehrte ein Munitionsbergungstrupp der Roten Armee mehrfach in Friedrichsfeld ein, um Wasser zu holen. Als ein junger Offizier erfuhr, dass Herr Schmidt jahrelang für das Gut gearbeitet hatte, erreichte er bei den dafür zuständigen deutschen Behörden, dass das Grundstück einschließlich der Ländereien im Rahmen der Bodenreform im Jahre 1946 der Familie übereignet wurde. Viele Jahre wohnte in dem Haus noch die Flüchtlingsfamilie Strauchmann. Da die Nachkommen der Familie Schmidt bereits seit dem Jahre 1935 in Gahlen ein eigenes Grundstück besaßen, gaben sie Friedrichsfeld nach dem Tode der Eltern im Jahre 1966 an den Staat zurück, der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb war seitdem Eigentümer (mdl. Mitt. Frau Thiel). Er bewirtschaftete die Waldungen, die Gebäude nutzte die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft zum Unterstellen von Maschinen und Geräten.
Im Jahre 1976 erwarb die Stadt Calau das 1,5 ha große Hofgrundstück von Friedrichsfeld, um ein Ferienzentrum für die Calauer Schulen einzurichten. Alle alten Gebäude wurden abgetragen. Es entstand ein neues Hauptgebäude mit Küche, großem Speiseraum, Sanitäranlagen und zwei Schlafräumen. Selbstverständlich wurde das Objekt nun mit Elektroenergie versorgt. Dazu kamen mehrere Bungalows und weitere Nebeneinrichtungen, Sport- und Spielgeräte und ein großer Sportplatz. Das gesamte Anwesen ist durch einen Zaun gesichert. Während der 1970er Jahre gab es Bemühungen, im benachbarten Schafteich für die Ferienkinder ein Freibad anzulegen, allerdings ohne Erfolg.
Neben Calauer Schulkindern belegen auch Schüler anderer Schulen freie Termine im Ferienzentrum. Seit 1993 nutzt außerdem die Calauer Gruppe des „Blauen Kreuz“ die Einrichtung für ihre Zusammenkünfte, dafür sorgen die Mitglieder für die laufende Instandhaltung der Gebäude und Anlagen (mdl. Mitt. Frau Förster).
Seit 1990 ist die BVVG (Treuhand) Eigentümer der Forstflächen. Sie bestrebt, die Wälder in Privatbesitz zu überführen. Betreut werden sie derzeit von Herrn Freund, Amt für Forstwirtschaft, Revier Missen.

Danksagung: der Verfasser (Helmut Jetsch) dankt der Pfarrerin M. Schmidt (Kalkwitz) für die wertvollen Informationen aus den Kirchenbüchern sowie Frau Förster (Calau), Frau G. Koppe (Ogrosen), Frau Thiel (Calau) und Herrn W. Wildschütz (Gahlen) für die mündliche Mitteilungen sehr herzlich. Besonderer Dank gilt Herrn D. Sperling (Cottbus), dessen Veröffentlichungen eine wertvolle Hilfe waren.